Als ich das Holocaust-Mahnmal in Berlin im Sommer 2011 das erste Mal besucht habe, war ich überwältigt von einer merkwürdigen Stimmung innerhalb des Mahnmals. Mitten in dieser pulsierenden Stadt wurde es, je weiter man in das Kunstwerk vordrang, immer leiser und stiller. Einzelne Rufe waren zu hören, ich verlor die Orientierung und erschreckte mich vor um die Ecke kommenden Menschen.
Auffällig war damals die unterschiedliche Art und Weise mit dem Mahnmal umzugehen: Der Großteil der Besucher war schweigsam und bewunderte still die riesigen Betonstelen.
Dann gab es da noch eine Handvoll Jugendlicher, die ausgelassen lachten, auf die Stelen kletterten, heitere Selfies knipsten oder sich durch das Stelenfeld jagten. Das war dann im Sinne des Fremdschämens eher unangenehm.
Genau diesen Fakt hat nun der Autor Shahak Shapira aufgenommen und in eine knallharte Satire umgewandelt: Yolocaust. Auf dieser Webseite überlagert Shapira einige im Berliner Mahnmal aufgenommenen Selfies, die öffentlich auf Instagram oder Facebook gepostet wurden, mit Originalaufnahmen aus den Vernichtungslagern. Die ausgelassenen, heiteren Selfies wandeln sich mit einem Mouse-Over zu einer makabren und perversen Foto-Installation.
Pointierter als die Berliner Morgenpost hätte ich es auch nicht schreiben können:
Die beiden jungen Männer, die eben noch von Stele zu Stele hüpften, springen nun auf einem Berg ermordeter Juden herum. Die beiden Frauen, die sich mit Selfiestick in cooler Pose ablichten, posieren plötzlich in einem Massengrab, und ein junger Mann mit Sonnenbrille macht sein Duckface auf einmal zwischen ausgemergelten KZ-Häftlingen.
Seit Jahren herrscht eine Art „Deutungsstreit“ rund um das Mahnmal. Der Architekt Peter Eisenman, verantwortlich für die Umsetzung des Mahnmals, sieht sein Kunstwerk nicht durch unterschiedliche Verhaltensweisen entwertet oder entwürdigt. Das Mahnmal sei kein Friedhof und kein Denkmal für die Opfer – sondern ein Mahnmal für die Bevölkerung. Und was die daraus machen sei eben deren Sache.
Auf der anderen Seite gibt es viele Menschen, die sich an der ausgelassenen Stimmung und wenig introvertierten Verhaltensweise einiger Besucher stören. Und ich gebe zu: Auch mir fällt es schwer aufgedrehte Kiddies angesichts der Bedeutung des Mahnmals zu tolerieren. So fordert beispielsweise das Kuratoriumsmitglied Lea Rosh mehr Sicherheitspersonal. Denn die Mehrzahl der Besucher sei verständnisvoll und wisse oft nicht über die Bedeutung des Mahnmals.
Wie dem auch sei: Die Satire-Aktion von Shapira ist derb und geschmacklos. Und gleichzeitig beeindruckend und mit einer ordentlichen Prise schwarzem Humor versehen. Eben genau so, wie ich Satire am liebsten habe.