Videospiele sind oftmals teuer – sowohl in der Entwicklung, als auch für den Endverbraucher. Das ist nicht nur heute, im Jahr 2017, der Fall. Auch in den Anfangszeiten der Videospielindustrie waren neu erschienene Spiele oftmals eine ordentliche Investition finanzieller Natur.
Entsprechend versuchen heute einzelne Publisher durch Product Placement oder Sponsoring-Deals ein bisschen Geld reinzuholen. Die notorische Billig-Klitsche von Activision namens „Head Games“ hatte dafür quasi damals unverholen den Startschuss gesetzt und bereits bestehende Low-Budget-Games der Mittelklasse mit Werbung vollgestopft als Low-Budget-Games der Unterklasse re-released.
Doch es gibt noch eine andere Art von Sponsoring, die heute (wenn überhaupt) nur im Hintergrund und subtil stattfindet: Werbespiele, die kostenlos oder sehr günstig erhältlich sind. Dabei handelt es sich meistens um Auftragsarbeiten, welche das jeweilge Unternehmen für die jüngere Zielgruppe attraktiv machen sollen.
Eins der modernen Beispiele ist sicher der „Christmas Shopping Simulator„, dessen Ziel es war durch möglichst abstruse und kaputte Gameplay-Mechaniken in den Videos und Let’s Plays berühmter (sprich: einflussreicher) YouTuber zu landen. Der Auftraggeber „GAME“ (eine britische Version von Gamestop) hat Freak Storm Games mit der Entwicklung beauftragt, eine Art „Goat Simulator“ zu erstellen. Die Werbebotschaften sollten sich dabei durch die Verbreitung über YouTuber und Influencer automatisch verstärken. Das hat auch ganz gut geklappt. Eine sehr schöne Zusammenfassung der Hintergrundgeschichte hat Lazy Game Reviews auf YouTube zusammengestellt.
Aber neben diesen dem Spieler gegenüber eher unfairen Formen von Werbespielen gab es vor allem in den 1990ern eine Welle an Werbespielen, die auch als solche gekennzeichet waren. Vor allem zwei Unternehmen haben sich in Deutschland als entsprechende „Spieleschmieden“ hervorgetan, „The Art Department“ und „Ad Games“.
(Ein sehr lesenswertes Interview mit dem Gründer von „The Art Department“ findet sich übrigens hier.)
Von Landesbausparkasse bis BiFi
Dabei ist die Bandbreite der Unternehmen interessant. Nicht all zu viele Unternehmen in Deutschland haben sich von einem „Ad-Game“ überzeugen lassen, dafür aber eine bestimmte Gruppe relativ stark: Banken. Von „Captain Zins“ bis hin zu „Vision“ gab es eine ganze Hand voll Werbespiele von LBS und Sparkassen. Vermutlich wollte die als eher angestaubt und spießig bekannte Bankenbranche junges Publikum von sich überzeugen. Quasi, „guckt mal wie hip und trendig wir sind!“
„Vision“ (1992, entwickelt von Ad Games) war eines meiner ersten DOS-Games, das ich als Kind spielen durfte. Eigentlich eher aus Verzweiflung, da ich „The Secret of Monkey Island“ und „Maniac Mansion“ verschlungen habe – und mein Taschengeld für neue Spiele nicht ausreichte. Ich kann es nicht mehr genau rekonstruieren, aber irgendwie bin ich an Disketten gekommen, auf denen sich das Spiel „Vision – The 5th Dimension Utopia“der LBS befand. Und ich habe es geliebt.
Aus heutiger Sicht ist das Spiel natürlich keine Sternstunde der Spieleentwicklung, aber für damals und umsonst waren Grafik, Sound und auch Gameplay beeindruckend. Und ich kann ehrlich sagen, dass ich auch heute – sicherlich, durch Nostalgie gefärbt – wirklich Spaß habe, in den Vision Tower reinzuschauen und mich mit den merkwürdigen, frechen Menschen auseinanderzusetzen. Und das Essen nicht vergessen, sonst ist das Spielvergnügen kurs.
„Vision“ (und der deutlich aufwändiger produzierte Nachfolger „Vision 2 – Aufbruch ins Weltall“) ist quasi ein RPG-Adventure-Game der frühen Stunde. Verdiene Geld, sichere dich ab und lebe ein schönes Leben im Tower. Natürlich sieht man direkt, dass das Konzept auf Dienstleitungen im Banksektor ausgelegt ist. Aber es macht trotzdem Spaß – und im Gegensatz zu den eher schamlosen Schleichwerbegames betont „Vision“ den Werbeaspekt sehr deutlich durch einen Sponsorenhinweis am Anfang und verstreute plumpe LBS-Logos und -Werbung im Spielverlauf.
Definitiv eins der Computerspiele meiner Kindheit, an das ich mich noch sehr deutlich erinnern kann. Und scheinbar nicht nur ich.
Ein anderes Werbespiel, an das ich mich sehr gut erinnern kann ist „Bifi2“ (1994). So hieß das DOS-Befehl bzw. die BAT-Datei, der eigentliche Titel ist mit „BiFi Roll: Action in Hollywood“ viel spektakulärer. Entwickelt vom Platzhirsch „The Art Department“ handelt es sich bei dem Game um ein klassisches Adventure-Spiel in Point&Click-Manier. Für viele gilt es als das Werbespiel schlechthin.
Der Nachfolger von „Snack Zone“, dem ersten Spiel rund um geschredderte Fleischbrocken mit viel zu viel Salz (= BiFi), handelt wieder von Lukas. Dieser ist diesmal in einem Filmstudio beschäftigt. Mysteriöse Dinge passieren, Rätsel wollen gelöst werden, yadda yadda yadda… Spielt es selbst, es ist großartig!
Irgendwie ist es schon schade, dass diese sympathischen, kleinen Werbespiele nicht mehr in dieser Form gibt. Die meisten Werbespiele waren zwar eher mittelmäßig bis schlecht und haben eher mit der Holzhammer-Methode versucht, die Botschaften des Sponsors unter die Leute zu bringen. Aber viele Spiele wurden mit Herzblut von kleinen Entwicklerstudios umgesetzt und haben einen ganz eigenen (zugegeben oftmals eher trashigen) Charme.
Wenn Ihr also noch nie ein altes Werbegame gezockt habt, ladet Euch eins herunter und schmeißt die DOXBox an.
VISION hat 20 DM gekostet und war nicht unsonst.
Richtig, aber ich habe es von irgendjemand kostenlos bekommen 😉